Im Jahr 2020 haben in Deutschland 913 Menschen nach dem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Das entspricht 11,0 Spendern pro eine Million Einwohner, meldet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Damit liegen die Organspendezahlen trotz des von der Coronavirus-Pandemie geprägten Jahres in etwa auf dem Niveau von 2019 (932 Organspender; 11,2 Spender pro Million Einwohner).
Im zurückliegenden Jahr konnten 2.941 hierzulande postmortal entnommene Organe durch die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) an Patienten auf den Wartelisten zugewiesen werden; nur ein leichter Rückgang gegenüber dem Jahr zuvor (2019: 2995 Organe). Dazu zählten 1.447 Nieren, 746 Lebern, 342 Lungen, 320 Herzen, 79 Bauchspeicheldrüsen sowie 7 Därme. Jeder der 913 Spender hat somit durchschnittlich mehr als drei schwerkranken Patienten die Chance auf ein neues Leben ermöglicht.
Stabilität trotz COVID-19
Ab Ende Februar 2020 breitete sich auch in Deutschland die SARS-CoV-2-Pandemie aus. Bis dahin verzeichneten die Organspendezahlen eine deutliche Zunahme, die aber im Verlauf des Jahres nicht anhielt. Dass Organspende und Transplantation in Deutschland jedoch insgesamt ohne die teils großen Einbrüche wie in anderen europäischen Ländern fortgeführt werden konnten, hatte mehrere Gründe. Zum einen wurde dank des andauernden Engagements in den Kliniken trotz der Coronakrise weiterhin an die Organspende gedacht. Zum anderen wurden frühzeitig mit allen beteiligten Institutionen Regelungen getroffen, um auch während der Pandemie die Sicherheit für die Empfänger im Organspendeprozess zu gewährleisten.
Gesetzliche Maßnahmen von 2019: Wegbereiter für mehr Organspenden
Auch das im April 2019 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende trug vermutlich dazu bei, dass die Organspendezahlen im vergangenen Jahr letztlich insgesamt stabil blieben. Die beschlossenen Maßnahmen bewirken, dass sich in den Kliniken die Voraussetzungen für das Erkennen und Melden möglicher Organspender verbessern. Insbesondere die Rolle der Transplantationsbeauftragten wurde gestärkt, die die Schnittstelle zwischen Entnahmekrankenhäusern und der DSO bilden. Sie haben eine Schlüsselfunktion im Bemühen um höhere Organspendezahlen und müssen nun für ihre Aufgaben freigestellt werden. Diese Aufgaben umfassen das Erkennen möglicher Organspender, zudem die Erstellung klinikinterner Verfahrensanweisungen für den Ablauf einer Organspende sowie die Fortbildung von Krankenhausmitarbeitern.
Das Engagement der Entnahmekrankenhäuser lässt sich auch an der Zahl der organspendebezogenen Kontakte ablesen – also der Fälle, in denen sie sich an die DSO gewendet haben, um über eine mögliche Organspende zu sprechen. Diese Kontakte haben 2020 im Vergleich zu 2019 um 2,5 Prozent weiter zugenommen und lagen bei 3.099 (2019: 3.023). „Das ist ein wichtiges Zeichen“, erklärt Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. „Es zeigt, dass es für Ärzte und Pflegende auf den Intensivstationen zunehmend selbstverständlich ist, am Lebensende von Patienten mit schwerer Hirnschädigung auch nach der Einstellung zur Organspende zu fragen, selbst in der Phase der Pandemie.“
Das Gesetz vom April 2019 verpflichtet die Entnahmekrankenhäuser zudem zur Dokumentation und Datenauswertung der Todesfälle mit primärer und sekundärer Hirnschädigung. So wird erfasst, warum ein irreversibler Hirnfunktionsausfall nicht festgestellt oder ein möglicher Organspender nicht an die DSO gemeldet wurde. Dazu erklärt Rahmel: „Unsere bundesweite Erstanalyse vom November 2020 verdeutlicht, dass wir in Deutschland ähnlich hohe Organspendezahlen haben könnten, wie in anderen Eurotransplant-Ländern. Voraussetzung dafür ist, dass in den Kliniken alle Möglichkeiten einer Organspende erkannt und in Betracht gezogen werden.“ Die Auswertung hilft der DSO beim individuellen Support der Krankenhäuser und dem gezielten Ausbau ihrer Unterstützungsangebote.
Neue Richtlinie Spendererkennung: frühzeitiges Erkunden vom Patientenwillen
Im September 2020 trat die neue Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer in Kraft. Die Richtlinie schafft Rechtssicherheit, was die Beachtung eines Organspendewunsches und die dazu erforderlichen intensivmedizinischen Maßnahmen betrifft. Das bedeutet, dass Ärzte sowie Transplantationsbeauftragte in den Entnahmekrankenhäusern bereits zum Zeitpunkt eines zu erwartenden oder vermuteten Hirnfunktionsausfalls den möglichen Wunsch einer Organspende ermitteln sollen, was frühzeitige Gespräche mit den Angehörigen voraussetzt. Damit wird die Patientenautonomie gestärkt, indem einem vorhandenen Willen zur Organspende entsprochen werden kann. Denn ist bereits eine palliative Behandlung eingeleitet, ist die Möglichkeit einer Organspende nicht mehr gegeben.
Im Blickpunkt aller Bemühungen: die Patienten auf der Warteliste
In den 46 deutschen Transplantationszentren wurden im vergangenen Jahr 3.016 Organe nach postmortaler Spende übertragen, das sind 176 Organe weniger als in 2019. Der Rückgang der Transplantationen ist im Verhältnis zu den hiesigen Organspendezahlen ausgeprägter, da Deutschland in 2020 weniger stark von der internationalen Austauschbilanz mit Eurotransplant profitieren konnte als in den Jahren zuvor. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie kam es in einigen anderen ET-Mitgliedsländern zeitweise zu zweistelligen prozentualen Einbußen bei den Organspendezahlen, sodass insgesamt weniger Organe zur Verfügung standen. Dies betraf insbesondere die Lungen- und Nierentransplantationen. Insgesamt erhielten hierzulande 2.845 Empfänger ein oder mehrere Organe. Zum Vergleich: Die Zahl der Patienten, die in Deutschland Ende 2020 auf der Warteliste für eine Transplantation standen, lag bei rund 9.200.
„Unser Ziel ist es, dass mehr Menschen zu Lebzeiten eine eigene Entscheidung zur Organspende treffen und diese dokumentieren“, sagt Rahmel. „Das ist im Falle einer möglichen Organspende eine wichtige Hilfe für die Angehörigen und lässt die Frage nach einer Organspende am Lebensende selbstverständlich werden.“
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Organspende sind in den letzten beiden Jahren gesteckt worden. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgt seitdem schrittweise, zudem begleitet und unterstützt durch den Gemeinschaftlichen Initiativplan Organspende sowie die neue Richtlinie Spendererkennung. Der Medizinische DSO-Vorstand Rahmel ergänzt: „Dies alles bietet eine vielversprechende Grundlage, sodass wir zukünftig hoffentlich mehr schwerkranken Patienten auf den Wartelisten zu einem neuen Leben verhelfen können.“
Weitere Impulse verspricht das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende, das im Jahr 2022 in Kraft tritt. Es sieht eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung über die Organspende vor. Eingebunden werden dabei u.a. Hausärzte und Behörden. Zudem ist die Einführung eines Organspenderegisters geplant.
Das sind wichtige Voraussetzungen, damit die Organspende auch in Zukunft im öffentlichen Bewusstsein bleibt und mehr Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzen. Dabei rückt Rahmel auch die Wertschätzung von Organspendern und ihren Familien in den Blick. Denn während Empfänger eines Organs jeden Tag dankbar sind für dieses Geschenk, fehlt in der Gesellschaft dafür oft noch die Anerkennung. Dieses möchte unter anderem die Website www.dankesbriefe-organspende.de ändern, die als Teil des Initiativplans vergangenen Herbst online ging.
PDF Pressemitteilung
Zahlen 2018 bis 2020 in der Übersicht